Harte Jungs

[10-2015 / German / 1593 words]

Ich sitz da also mit Bernd und Greg. Seit zwei Monaten will er nicht mehr Georg genannt werden, der Typ. Also ich sitz also mit denen mal wieder zusammen – eben bei Greg. Auf seinem hässlichen Sofa. Das hat er von seinen Eltern. Und wir kiffen uns die Birne weg. Wir sitzen da, machen irgendeinen Scheiß. Halt Youtube und so – schauen uns irgendeinen Scheiß an.

Und Bernd sitzt neben mir. Wir sitzen auf dem Sofa mit so einer fleckigen Decke, keine Ahnung, was Greg da schon gemacht hat. Erzählt immer, dass er Nellie so hart flachlegt. Echter Hengst, der Typ, wissen wir eh schon.

„Halt die Fresse, Greg!“ möchte ich ihm immer sagen. Eigentlich habe ich ihm das schon sagen wollen, wie er noch Georg geheißen hat. Als ob der Typ nicht noch immer Georg heißt. Es steht ja auf seinen ganzen verfickten Ausweisen drauf. Aber jetzt heißt er Greg.

Er hatte schon mal diese Phase. Greg. Er hatte schon mal diese Phase, wo er anders genannt werden wollte, als er eigentlich war. Nachdem er mal in England war – gesponsert von seinen Eltern – wollte er immer Georgie genannt werden. Immer wenn wir im Finns waren, hat er gesagt: „Nennt mich Georgie“. Zu den ganzen girls hat er sich aufgespielt. Ihnen diese ganzen billigen Scheißdrinks gekauft, als ob er es sich leisten könnte.

Jedenfalls diese Couch: Bernd sitzt neben mir, Greg sitzt auf seinem fetten Sessel mit drei Polstern unterm Arsch. Er nennt ihn immer Futö – komischer Name für einen Sessel. Und wir schaun irgendeine Doku über Junkies, die grad voll fertig sind von so nem Scheiß, den sie nehmen – Christal. So nen Scheiß würde ich nie nehmen.

Und Greg hält seine Tschick immer mit drei Fingern. Kommt sich hart vor damit. Bernd sitzt neben mir – mit einer Hand auf der Lehne, mit der anderen hält er den Jay. Ladylike, abgespreizt mit zwei Fingern. Und ich sehs genau, aus dem Augenwinkel, durch den Rauch durch, wandert sein Bein. Unter diesem alten Blechtisch, den wir immer zum Abaschen benutzen. Greg sagt, dass wir damit aufhören sollen – er hat ja Gläser und so. Und alte Tassen, die gesprungen sind. Er gibt immer nurn bisschen Wasser rein – damits zischt, wenn die Asche reinfällt, sagt er.

Das Bein wandert näher. Als obs niemand bemerken sollte. Und Greg bemerkt echt grad gar nichts. So weg – schaut sich die Decke an. Alle dreckigen Spinnweben. Wie sie in den Ecken kleben, in seiner Bude. Keine Ahnung, von wem er die übernommen hat. Und das Bein kommt näher – an meines.

Ich zittre ein bisschen, hatte wohl zu viel von dem Scheiß. Und er berührt meinen Fuß – ganz sanft. Obwohl er so ein starker Typ ist. Bernd ist echt nicht ohne, der hat Muckis ohne Ende. Ohne Ende. Was der immer pumpen geht, ist echt nicht normal. Echt nicht mehr normal. Mit seinem Hollister-Hoody. Voll abgetragen, platzt eh schon aus allen Nähten – kommt er sich vor, wie der härteste Pumper. Hat auch voll muskulöse Beine, zeigt immer allen Leuten seine Muskeln, ob sie wollen oder nicht. Sagt immer: „Ja, war trainieren, deswegen konnt ich nicht kommen“ oder „Sorry, hab keine Zeit – muss trainieren“. Macht Klimmzüge. Erzählt immer, wie viele Sit-Ups er geschafft hat. Und schlürft dabei seine Shakes. „Ja, wir wissens, Bernd, du bistn Sportfreak.“ Ist aber auch echt gut trainiert.

Und er berührt mein Bein ganz sanft. Wie n Mädchen. Ich zuck zurück. Weiß nicht, was ich tun soll. Was will dieser Typ eigentlich von mir? Ja, was will dieser Homo? Is er schwul oder was?

Ich sag: „Brauch mal Frischluft“ und geh in die Küche. Vollkommen verramscht mit den ganzen Verpackungen von Fertigpizzas. Auf dem Tisch stehen alle Tassen, voll mit Wasser und Asche. Ich möcht die Tassen auf den Boden hauen und unter meinen Füßen zermanschen. Schnapp mir irgendein Glas, das nicht komplett versifft aussieht, halts kurz unter den Wasserhahn, drehs um, halts wieder hin und trinks in einem Schluck aus.

Mann, bin ich fertig. Was will dieser Homo? Ich hab gedacht, ich kenn ihn. Und dann macht er diesen Scheiß. Greg liegt noch immer in seinem Futö und pennt wahrscheinlich, der alte Sack. Pennt und denkt an seine Nellie. Die nie da ist, wenn wir kommen. Ich weiß ja, dass es sie gibt. Einmal hat er sie grad dagehabt. Eine fette, richtig fette. Schaut fast aus wie ne Transe, so stark geschminkt is sie immer. Aber immerhin hat er ne Freundin – oder sowas in der Richtung. Für so nen Typen ist das gar nicht schlecht.

Bernd kommt also neben mich, nimmt sich auch eins von den scheiß versifften Gläsern. Spülts nicht mal aus, bevor er trinkt. Er schaut nicht so aus, als ob er noch irgendwas rafft. Ich riskier nen Blick zurück ins Zimmer. Greg liegt immer noch da. Und sag dann leise zu Bernd: „Was soll das eigentlich? Bist du jetzt ein Homo? Ich möcht nichts von dir.“

Bernd schaut mich an, als ob ers nicht verstanden hätte. Als ob er nicht versteht, dass er ein scheiß Homo is.

„Was willst du eigentlich? Was willst du, Mann? Hast du irgendn Problem? Warum soll ich n Homo sein? Wir sind doch cool, Mann? Du hattest echt zuviel von dem Scheiß da.“

Ich zu ihm: „Heast Bernd, hast mich nicht gehört? Was war das vorhin? Das kanns ja nicht sein. Du weißt genau, was du gemacht hast. Ich bin doch nicht deine Bitch, die du streicheln kannst, wie du willst. Wir sind Kumpels.“

„Was streicheln? Das hast du geträumt, du alter Perversling. Ich will doch nichts von dir. Ich hab genug Bitches, die ich flachlegen kann. Mein Gott – schau dir das Sixpack an, schau dir die Muskeln an!“ Er zieht seinen Hoodie hoch. „Schau sie dir an!“ Lässt sie zucken. „Da, ha, nicht schlecht! Bizeps, Trizeps, alles da! Alles da. Ja, überall ist alles da. Oh ja, Mann. Ich habs echt nicht nötig.“

„Ja fuck Mann! Du hast mich doch angegrabscht, du mit deinem scheiß Bein. Was geht eigentlich mit dir? Das hab ich mir nicht eingebildet – du bist der Homo hier, nicht ich!“

Jetzt geht Bernd echt ab: „Was willst du eigentlich von mir? WAS WILLST DU? Bist du völlig behindert? Verstehst dus nicht? Ich will nichts von dir, du Arsch.“

Zieht seinen Hollister-Hoody wieder runter und packt mich. „Hör auf damit, das Shirt ist ganz neu!“, schrei ich. „Verdammte Scheiße, das bezahlst du mir, wenn das reißt.“

Bernd lässt mich wieder los. „Ja Mann, sorry. Aber das geht echt nicht, einfach so nen scheiß zu labern.“

„Ich… aber das war kein Scheiß! Ich habs gemerkt, ich habs gespürt. Ich habs gesehn. Ich hab noch Augen. Und meine Beine sind auch noch voll funktionsfähig. Ich hab Nerven, weißt du? Ich hab Nerven. Und die spürn das, wenn man sie berührt.“

„Ja Mann. Verlier mal nicht deine Nerven. Du bist echt sensibel. Ein Sensibelchen. Dich möcht ich nicht erleben, wenn du mal wirklich auszuckst. Kriegst wahrscheinlich gleich nen Anfall, wälzt dich aufm Boden herum mit Schaum vor dem Mund. Echt nicht normal, echt nicht cool.“

Ich schau Bernd an. Kann echt gut schauspielern. Ich kann nicht erkennen, dass er irgendwie lügen würde oder so. Aber das kann ich mir nicht eingebildet haben. Ja, wir haben ne Menge gekifft. Aber das kanns ja nicht sein. Das kann ich mir nicht einbilden, den Scheiß.

„Heast Bernd“, sag ich, „das ist jetzt ernst. Du lügst mich an. Du LÜGST mich an! Das ist nicht cool, okay?“ Greg steht auf, wälzt sich von seinem Futö, fällt hin, sabbert in den Teppich, rappelt sich auf, schlurft her.

„Hey Leute, was gehtn da ab? Was ziehtn ihrn da für ne Show ab? Ich hatte schon mal Stress mit der Nachbarin da. Echt nervig. Die hat schon mal gesagt, dass sie die Polizei ruft, wenns noch mal einen Rappel gibt. Bin hier nur Untermieter. Also Leute, wenn ihr bei mir seid: keinen Ärger, verstanden?“

Ich zu Greg: „Weißt du, was Bernd grade gemacht hat? Der hat mich echt am Fuß gestreichelt. Mit seinem scheiß Fuß auf meinem Fuß. Ganz sanft, wie wenn er mit irgendner Bitch das machen würde.“

Greg schaut mich an. Mit seinen verquollenen Augen blinzelt er mich an: „Was laberst du da? Was geht eigentlich? Bernd hat das doch nicht nötig. Wir sind cool hier. Wir sind Kumpels.“ Bernd: „Ja, das versuch ich ihm auch schon die ganze Zeit zu erklären. Aber der Depp rafft das einfach nicht. Wir sind doch hier keine Homos. Wir sind nicht schwul. Wir sind cool. Verstehst?“

„Ja, voll. Voll“, sagt Greg. „Ich mein: wir sind hier doch alle Stecher. Ich hab meine Nellie. Bernd hat seine Bitches aus dem gym. Du kriegst auch hin und wieder eine ab. Wir haben schon unseren Spaß. Wir sind cool hier. Das ist tittenfreie Zone. Leute, vertragt euch wieder.“

Ich werd mir selbst schon ganz unsicher, was ich gesehen hab. Was ich gespürt hab. Ich so: „Ja keine Ahnung, Mann. Weiß auch nicht mehr. Irgendwas war da. Irgendwas war da.“

Bernd so: „Ja und? Irgendwas kann immer sein. Soviel wie du quarzt? Du hast mir die Hälfte vom Weed weggesmoked. Kannst dich auch mal bedanken, weißt du? Weißt eh – es ist cool. Wir können das alle zusammensmoken. Aber dich dann so aufzuregen, ist nicht okay.“

Greg füllt uns die Grindtassen voll, stellt sie uns auf den Aschenbechertisch. Er so: „Ja passt, vertragts euch wieder. Wir sind doch keine Schwulis. Sind doch keine Conchitas. Gehts wieder zurück, trinkts ein Wasser.“

Bernd lässt sich ins Sofa fallen, Greg in seinen Futö – und mir bleibt auch nichts andres mehr übrig. Ich hau mich auch aufs Sofa.